
Akademieabend
Ist was falsch am christlich-jüdischen Dialog?
16. Juni 2025, 19h
Auditorium an der Katholischen Akademie in Berlin
Photo: Gesine Palmer
Ist was falsch am christlich-jüdischen Dialog?
Akademieabend
16. Juni 2025, 19h
Auditorium an der Katholischen Akademie in Berlin
Die christlich-jüdische Beziehung war über viele Jahrhunderte eine der hegemonialen Gewalt: Christen hielten das Judentum für eine unterlegene Religion und drangsalierten Jüdinnen und Juden unter der „theologischen“ Rechtfertigung, dass diese „Christusmörder“ seien. Erst nach der Shoah – und durchaus nicht sofort danach – hat eine immerhin nennenswerte Minderheit von Christinnen und Christen sich ernsthaft darum bemüht, die antijüdischen Elemente der eigenen Theologie kritisch zu revidieren. Die internationalen Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit blicken in diesem Jahr auf eine 75 Jahre dauernde Geschichte zurück. Es gab intensive und weniger intensive Zeiten der Diskussionen und des gemeinsamen Lernens. Aber inzwischen hat die Welt sich wieder verändert und der christlich-jüdische Dialog scheint ein Auslaufmodell zu sein. Mit den kriegerischen Aktivitäten des politischen Islam – spätestens seit der islamistischen Revolution im Iran – und den wachsenden islamischen Minderheiten in westlichen Gesellschaften ist der Islam als unübersehbar fordernder Player nicht nur in der internationalen Politik, sondern auch im interreligiösen Gespräch eine bedeutende Kraft geworden. Jüdisch-islamischer und christlich-islamischer Dialog werden für relevanter gehalten als der jüdisch-christliche Dialog. Eine anti- oder postkoloniale Kritik beklagt die angeblich hegemoniale „Bettgenossenschaft“ (Daniel Boyarin) von Christen und Juden: Diese würden sich als Hüter einer westlichen imperialistischen Tradition gegen den globalen Süden und seine (teils gewalttätig islamistischen) Befreiungsbewegungen verbünden.
Ist der christlich-jüdische Dialog eine solche imperiale Betätigung? Und wenn wir das nicht glauben, was sagen wir? Unsere Antwort – also die Antwort derer, die sich seit Jahrzehnten im interreligiösen Dialog engagieren – ist meistens: mehr Dialog! Bejahung der Differenzen, Offenheit für die Andersheit der Anderen, Integration. Der Kritik ist das nie genug. Sie richtet sich schließlich gegen das Konzept des Dialogs selbst.
In seinem neuen Buch „The Politics of Not Speaking” fasst Elad Lapidot die “logoclastische” Haltung zum christlich-jüdischen Dialog und überhaupt zum Dialog zwischen strukturell Ungleichen wie folgt zusammen: „The violence done by dialogue is the most dangerous kind of violence, since it is not experienced as violence, or even conflict. It is experienced as peace.“ (Die Gewalt, die durch den Dialog ausgeübt wird, ist die gefährlichste Art der Gewalt, denn sie wird nicht als Gewalt oder auch nur als Konflikt erfahren. Sie wird als Frieden erfahren.)
Kann man mit dieser Kritik weiter sprechen? Hat man Argumente gegen sie? Wie weiter sprechen, wenn der Dialog selbst desavouiert erscheint?
Wir wollen erfahrene Teilnehmer an den christlich-jüdischen Dialogen der vergangenen Jahrzehnte dazu befragen.
Referenten
Rabbinerin Prof. Dr. Elisa Klapheck
Dagmar Mensink
Rabbiner Prof. Dr. Yehoyada Amir
Zuständige Referentin: Dr. Gesine Palmer
Referenten

Yehoyada Amir is the rabbinic head of the Regina Jonas Seminar for Liberal Rabbinate (Rabbinischer Leiter des Regina Jonas Seminar für Rabbinerausbildung) in Potsdam and an emeritus professor for Jewish Thought and Theology of Hebrew Union College – Jewish Institute of Religion.
The foci of his academic research are 19th and 20th century Jewish thinkers (among others: Franz Rosenzweig, Nachman Krochmal, Martin Buber, Mordecai M. Kaplan, Aharon D. Gordon, and Eliezer Schweid), and central philosophy and theological themes concerning post-Shoa Jewish identity, the challenges of a Jewish-majority-society in Israel, and Liberal approach to tradition and faith.

Elisa Klapheck (*1962, Düsseldorf) ist liberale Rabbinerin in der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt/M. und Professorin für Jüdische Studien an der Universität Paderborn. Sie engagiert sich für die Gleichberechtigung der Frau im Judentum sowie für eine Erneuerung der jüdisch-religiösen Tradition angesichts der gesellschaftlich relevanten Fragen. In diesem Zusammenhang tritt sie für einen neuen Dialog zwischen Religion und Politik ein. Von ihr erschienen sind u.a. die Bücher “Fräulein Rabbiner Jonas – Kann die Frau das rabbinische Amt bekleiden?” (1999), „Wie ich Rabbinerin wurde“ (2012) und „Margarete Susman und ihr jüdischer Beitrag zur politischen Philosophie“ (2014). Ihre jüngsten Veröffentlichungen sind „175 Jahre Paulskirche. Jüdischer Anteil an der deutschen Demokratie“ und „Zur politischen Theologie des Judentums“.

Dagmar Mensink lebt in Frankfurt am Main, ist katholische Theologin und hat während ihres Studiums ein Jahr an der Hebräischen Universität Jerusalem studiert. Seither ist sie im jüdisch-christlichen Dialog engagiert (u.a. im GK „Juden und Christen“ des ZdK und in der Unterkommission der Deutschen Bischofskonferenz für die religiösen Beziehungen zum Judentum).
Beruflich arbeitet sie in der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz und ist zuständig für die Koordination religionspolitischer Grundsatzfragen sowie Verbindungen zu Kirchen und Religionsgemeinschaften.